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Alpe d’Huez: Gleichgüligkeit beim ÖPNV

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Schon seit einigen Jahren wollte ich einmal die längste (wirklich) schwarze Abfahrt der Welt abfahren. Irgendwie hat es nie geklappt. Das könnte auch daran liegen, dass diese Gegend leider ziemlich abgeschnitten vom ÖPNV ist und ohne Auto daher nur schwer zu erreichen. Dabei gab es schon vor vielen Jahren eine Zugverbindung nach Grenoble. Wie so oft hat man aber auch hier den Fehler gemacht, die Gleise für den Ausbau der Straße zurückzubauen.

Die Bahnstrecke verlief bereits vor hundert Jahren weitgehend neben der RN 91 und bediente zahlreiche Industriebetriebe, ein Calciumcarbidwerk, eine Fabrik mit bis zu 150 Beschäftigten. Die Fabriken wurden mit dem reichlich verfügbaren Strom aus Wasserkraft betrieben. In Livet gab es insgesamt drei chemische Werke mit Gleisanschlüssen. Man wundert sich, wann uns dieser Sinn für eine gute Bahnanbindung abhanden gekommen ist. Heute scheint in der Region alles nur auf Individualverkehr im PKW ausgerichtet zu sein.

In den eigentlichen Skiort Alpe D’Huez kommt man mittlerweile zwar auch ganz gut per Bus, wer aber den Service aus anderen OPNV-Verbund in Europa kennt, wird hier schon eher verzweifeln. Online kann man keine Preise ermitteln, man muss für den online-Ticket-Kauf eine spezielle Geldkarte (Oura?) mit Kartenlesegerät kaufen und am eigenen Rechner installieren (Hahaha!). Ein Wettbewerber scheitert schon beim Einrichten eines Kundenaccounts (Abfrage Telefonnummer funktioniert nicht). Man hat das Gefühl, die Verantwortlichen Stellen haben sich alles möglich ausgedacht, um den ÖPNV so unattraktiv und den Umstieg so kompliziert wie möglich zu gestalten. Leider hat man hier offenbar immer noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt.

Da wundert es nicht, dass die Betreiber der neuen Zubringer Bahn Eau d’Olle Express mir vor 2 Jahren nicht einmal Auskunft geben konnten, wie man aus Grenoble mit dem Bus nach Oz kommt. Inzwischen gibt es immerhin 4x täglich eine Busverbindung aus Grenoble, da hat sich schon ein bisschen was geändert, aber wenn man die großen Parkflächen und Parkhäuser sieht, besteht für die meisten Skifahrer wenig Anreiz umzusteigen. Hier herrscht vielmehr nach wie vor der Zeitgeist der „autogerechten Skisportstätte“.

Es gibt neben der Straße sogar noch Gleise einer stillgelegten Eisenbahnstrecke

Ich wollte es trotzdem einmal sehen und habe bei der Alp-X 2025 die umständliche Anreise im Bus in Kauf genommen. Nun erwarten mich also diese langen Abfahrten von 3.330 Meter fast 2.000 Höhenmetern durch ein Gletschertal. Dafür nehme ich eine längere Busfahrt in Kauf und hoffe darauf, dass sich in den nächsten Jahren da noch mehr ändert.

Der ÖPNV ist zwar eine Frechheit, ob da jemand mit dem Bus oder Zug kommt, ist denen völlig gleichgültig. Am liebsten setzt man auf die Anreise per Auto, wozu hat man denn die riesigen Parkplätze gebaut. Ich hatte in Grenoble übernachtet, eine sehr schöne, lebendige Stadt.

Morgens um 07:00 Uhr hatte ich aber den Bus am Bahnhof von Grenoble erwischt, der Bus beim Umstieg in Rochetaille kam hingegen einfach nicht, also per Anhalter nach Allemond und in den neuen Oz-Express gestiegen. Und siehe da, wenn man bisschen Pech hatte, muss man ja irgendwann auch mal wieder Glück haben, hier in Gestalt von Sylvain.

Bei der ersten Auffahrt hatten wir ein paar Worte gewechselt, in der zweiten Sektion saßen wir wieder zusammen und es entwickelte sich ein Gespräch über meine Tour. Er kam aus Grenoble und fährt seit Jahren in Alp d’Huez. Als ich ihn fragte, wo man am besten hin fährt, meinte er, „Weißte was, eigentlich wollte ich mit einem Kumpel fahren, aber dessen Oma ist gestern gestorben. Ich fahre nicht gerne alleine, wenn es dir nichts ausmacht, fahren wir zusammen und ich zeige dir das Gebiet.“ Bingo! Besser hätte es nicht laufen können.

Ich musste nicht lange die Skimap studieren, ich bin einfach immer hinterher gefahren. Sylvain war ein sehr guter Skifahrer, das passte vom Niveau perfekt. Wir sind von morgens bis Liftschluss gefahren, nur unterbrochen von einer kurzen Rast auf seiner Lieblingshütte, einem kleinen Geheimtipp, wo ich Kalbskopf zu Mittag essen konnte.

Das Gebiet war an dem Tag überraschend voll für einen Samstag. Was ich nämlich nicht ahnte, war die gleichzeitige Veranstaltung des Tomorrowland-Festivals, das mal eben 50.000 Leute nach Alp d’Huez geschaufelt hat. Aber Sylvain kannte immer wieder einen Ausweg, wo wir nicht anstehen mussten.

Am Nachmittag gab es dann regelrecht Schneetreiben, aber wir hatten immer ausreichende Sicht. Wir sind alles abgefahren, natürlich auch die schwarze Piste Sarenne. Die Tunnel war leider geschlossen, das werde ich ein anderes Mal nachholen. Später musste ich ziemlich lange auf den Bus runter ins Tal nach Bourg d’Oisans, dem nächsten Übernachtungsort warten, aber was für ein Tag! Ein echtes Highlight, wenn man mal die An- und Abreise ausblendet.

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