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Ranking der Eisenbahnen

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Ich hatte mir im Vorfeld auch vorgenommen, die Eisenbahngesellschaften zu bewerten und auch einige Mitreisende in den Zügen fanden das interessant. Nachdem ich nur von Interrail gesponsort wurde, besteht auch keine Gefahr, dass ich auf jemand Rücksicht nehmen muss. Eine Anfrage bei der Deutschen Bahn auf der extra für diesen Zweck eingerichteten Webseite der Bahn hat übrigens auch nach dreimaliger, bestätigter Anfrage keine Rückmeldung ergeben. Ich hoffe die interne Hotline für Gleisschäden funktioniert besser. Hier nun also eine total subjektive Einschätzung der Bahngesellschaften auf der Alp-X, fangen wir aber diesmal von hinten an:

7. Platz: Deutsche Bahn
Die rote Laterne bekommt die Deutsche Bahn. Es war eine denkbar einfache Aufgabe für die Deutsche Bahn bei meiner Überquerung der Alpen: Sie sollte mich vom Zwischenstopp Stuttgart nach Zürich bringen. Ergebnis: Fail! Der Zug ist ausgefallen, warum weiß ich bis heute nicht. Die Probleme bei der Zuverlässigkeit sind mittlerweile aber so schwerwiegend, dass die Schweizer Bahn Züge aus Deutschland teilweise gar nicht mehr in die Schweiz einfahren lässt. Es wurde sogar von zuständiger Stelle überlegt, ob man die Züge aus Deutschland nicht insgesamt aussperrt und Passagiere lieber mit eigenen Zügen in Freiburg und Stuttgart abholt. Ein Fünftel der Züge ist mehr als 15 Minuten verspätet und daher endet die Fahrt bereits in Basel, weil der „Slot“ weg ist und die Fahrgäste umsteigen müssen. Mittlerweile wird sogar befürchtet, dass dies Auswirkungen auf den Verkehr insgesamt hat, so der Verband öffentlicher Verkehr, in einem Interview mit dem SWR: „Wir wollen unbedingt vermeiden, dass deutsche Urlauber künftig das Auto nehmen, weil sie im Zug nicht umsteigen wollen.“ Das kann bei der Situation der Bahn in den letzten 10 Jahren eigentlich niemanden überraschen.

6. Platz: Trenitalia
Die Züge von ‚Trenitalia‘ habe ich nur auf der kurzen Strecke von Bozen nach Waidbruck für den Umstieg in den Bus genutzt. Der Zug war sehr alt und schäbig, obwohl dies eine internationale Verbindung war. Hinzu kommt, dass er unpünktlich war und ich daher fast meinen Anschluss nach Wolkenstein verpasst hätte. Bei dem Zustand der Wagons muss man fast sagen, „zumindest fuhr der Zug!“. Vom Auto weg auf die Schiene bekommt man mit so einem Angebot sicher niemanden. Insgesamt hat man in Italien nach wie vor den Eindruck, dass nur diehenigen den ÖPNV nutzen, die sich kein Auto leisten können.

5. Platz: SNCF
Die Anreise mit dem TGV nach Nizza, als Ersatz für den Zugausfall der Deutschen Bahn klappte hervorragend. Der TGV ist ein Schnellzug, der wirklich Maßstäbe gesetzt und Geschichte geschrieben hat. Allerdings sind die Züge selbst doch ein wenig in die Jahre gekommen, was der Auslastung auf Fernstrecken offenbar nicht schadet. Einen Abzug gibt es aber für das fehlende Bemühen der Erfüllung von Nachfrage im Regionalverkehr. Diese kann auch immer erst entstehen, wenn ein entsprechendes Angebot besteht. In Frankreich gibt es so viele Bahnstrecken, welche in den letzten Jahren stillgelegt wurden und man hat den Eindruck, als würde die Staatsbahn nur noch die sternförmigen Langstrecken aus Paris bedienen wollen. Ich hatte jedenfalls nicht das Gefühl, dass es in Frankreich ein modernes Verkehrskonzept gibt, das die Bürger auch außerhalb der Großstädte auf den ÖPNV umstellen soll.

4. Platz: SBB
Die Bahnfahrten im Panorma-Wagon der Schweizer Bahn-Gesellschaften -dank Interrail sogar in der 1. Klasse- gehören sicher zu den größten Eisenbahn-Erlebnissen meiner Tour. Die Züge waren auch modern und sauber, wie man es in der Schweiz wohl kaum anders erwartet hätte. Allerdings war nicht ein einziger Zug der Schweizer Bahnen pünktlich. Nicht in Sion, nicht in Fiesch bis Dissentis, nicht in Chur, und nicht in Klosters. Alle hatten deutlich mehr als fünf Minuten Verspätung. Wer sich gegenüber anderen Bahngesellschaften (s.o. Deutsche Bahn) so aus dem Fenster lehnt, sollte sich selbst mal an die eigene Nase fassen. Zumindest haben die Züge alle aufeinander gewartet, so dass man keine großen Zeitverluste beim Umsteigen hatte. Negativ fiel mir auf, dass die Züge selbst nicht die schnellsten sind. Den undankbaren vierten Platz kann dann auch nicht mehr der Bonus retten, dass die Schweizer Bahnen seit Jahrzehnten eine gute Erreichbarkeit der Skigebiete gewährleisten. In jedem Zug sind Gepäckabteile mit Skiständern, es gibt Kombitickets mit den Bergbahnen. Das ist toll!

3. Platz: OEBB
Auch die Züge der OEBB waren teilweise leider verspätet, aber die Züge auf der von mir genutzten Strecke waren alle neu und sehr komfortabel, auch wenn sie teilweise keine 1.Klasse bereit hielten. Einen Bonuspunkt erhält die OEBB zudem deswegen, weil sie den Betrieb der Europäischen Nachtzüge aufrechterhält und betreibt. Das ist m.E. die Zukunft der Fernreisen. Ursprünglich hatte ich die Anreise nach Nizza mit dem Nachtzug bis Basel geplant, leider war dies aus persönlichen Gründen nicht möglich, aber das Angebot ist klasse! Desweiteren hat sich die OEBB in den letzten zwei Jahren eng mit den Betreibern der Bergbahnen vernetzt und bietet Kombi-Tickets für die Anreise ins Skigebiet mit der Bahn in Kombination mit vergünstigten Lift-Tickets an. Für diesen „Spirit“ setzt sich die OEBB vor alle anderen Staatsbahnen.

2. Platz: Vinschgaubahn
Silber würde ich an die Regionalbahn im Vinschgau vergeben. Es handelt sich dabei um eine ehemalige Nebenstrecke, welche von der staatlichen Trenitalia 1990 stillgelegt wurde. Angeblich fehlte die Rentabilität und man wollte sich bei der Staatsbahn auf die lukrativen Hauptstränge im Schienennetz konzentrieren. Das endgültige Aus und den Rückbau verhinderte eine Initiative aus der Region, die mit persönlichem Engagement der Lokalpolitik und Leuten aus der Region die Gleise wieder herstellten. Bereits Ende der 90er Jahr übernahm das Land Südtirol die Bahnstrecke und sanierte die Tunnels, erneuerte Brücken. Die gesamte Strecke wurde auf den neuesten Stand gebracht, modernste Zuggarnituren angekauft und am 05.05.2005 fuhr dann tatsächlich der erste neue Zug auf der alten Strecke.

Auf meiner Fahrt waren die Züge sehr pünktlich. Die Strecke ist auch touristisch lohnenswert und führt einen bis ins Zentrum von Bozen bzw. bis kurz vor den Reschenpass. Eine größere Baustelle vor Meran wurde mit mehreren Shuttlebussen überbrückt, die bei Ankunft des Zuges bereit standen. Gute Organisation hat somit ein unbeschwertes Reisen ermöglicht. Well done!

1. Platz: Chemin de Fer de Provence
Und wir haben einen Gewinner! Nach dem Bericht und dem Foto mag dies manch einer für einen Scherz und für nicht nachvollziehbar halten, dass ich ein Bahnunternehmen mit diesen Zügen als bestes Bahnunternehmen der Alp-X auszeichne.



Ich hatte mich aber vorweg mit der Geschichte der Bahn beschäftigt, auch war ich während der Fahrt begeistert von der aufwändigen Trassenführung. Ähnlich wie bei der Vinschgaubahn sind es aber auch hier einige wenige Enthusiasten, die unter größten Schwierigkeiten den Bahnbetrieb aufrecht erhalten und gegen großen Widerstand der Monopolisten eine Regionalbahn unterhalten. Ohne diesen enormen Einsatz würde es in einigen Gebieten der Region der Provence-Alpen keinen Taktverkehr mit dem Zug mehr geben. Tatsächlich betreibt die Provence-Eisenbahngesellschaft auch mit moderneren Zügen den öffentlichen Nahverkehr in der nördlichen Metropolregion von Nizza, was wohl auch lukrativ ist. Bei der Streckenführung des Schienenbusses müssen die Kosten hingegen enorm sein. Dabei sind die historischen Stationen und Bahnhöfe weitestgehend erhalten und gut in Schuss. Ich empfehle jedem, auch im Sommer, einmal mit der Bahn ins Hinterland von Nizza zu fahren. Dies ist -wie mir auf meiner Alp-X-Tour berichtet wurde- schon seit Jahrzehnten ein Geheimtipp für Touristen und ein beliebtes Freizeitvergnügen der Einwohner von Nizza. Bravo!


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